Alte und neue Rechtschreibung - ein offener Brief
Verfasst: So, 12.03.2006 15:20
Offener Brief an das deutsche OOo-Team
Betrifft: Alte und neue Rechtschreibung für OOo
Ich möchte etwas vorwegschicken: Ich bin Germanist und arbeite als freier Autor. D. h. ich bin sowohl theoretisch wie auch praktisch mit der deutschen Sprache vertraut. (Soll das heißen, daß dieser Text fehlerfrei ist? Ach, schön wär‘s!)
Das erwähne ich für all diejenigen, die zusätzlich zu Argumenten auch noch in irgendeiner Form eine „Autorisierung“ des Argumentierenden wünschen. Ich persönlich käme ohne aus, zumal bei der nervigen Geschichte, um die es hier nun gehen soll, sich gerade die Fachleute nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.
Den meisten von Euch wird die Rechtschreibreform und alles darumherum mehr als lieb bekannt sein, aber ich möchte noch einmal die Entwicklung der letzten Jahre kurz zusammenfassen, weil immer wieder Mißverständnisse auftauchen. Ich habe in dieser Angelegenheit – selbstverständlich – einen Standpunkt, den ich auch nicht verhehle, aber von den Fakten getrennt halte.
Also: Irgendwann tauchte einmal die Idee auf, die deutsche Orthographie zu „modernisieren“ bzw. zu vereinfachen. Die Wörterbücher der deutschen Wörterbuchverlage sollten nicht mehr (oder jedenfalls nicht nur) die deutsche Sprache und Rechtschreibung auf ihrem jeweiligen Entwicklungsstand beschreiben, wie das ihre Aufgabe war (und in fast allen anderen Ländern ist), sondern sie sollten neue Regeln setzen, d. h. sie verändern.
Viele (Fach-)Leute hielten bereits diese Idee für zutiefst dumm, zu diesen Leuten gehöre ich auch.
Wie auch immer: Daß das, was nach langen Jahren und vielen Sitzungen von Experten als neue Rechtschreibung herauskam, katastrophal war, darüber sind sich mittlerweile die meisten einig. Die Veränderungen führten zu einem Verschwinden von Sinn, vor allem durch die neuen Regeln zur Getrenntschreibungen.
Mittlerweile sind die Regeln der dritten Version der neuen Rechtschreibung im Umlauf, die vierte, von der viele behaupten: die letzte, steht in den Startlöchern. Daß es sie überhaupt geben wird, liegt an den massiven Protesten gegen die jetzige Version, vor allem der Rückkehr von einigen großen Zeitungsverlagen zur alten Orthographie. Der Druck, der dadurch auf die Politik ausgelöst wurde, führte zur Einrichtung einer Rechtschreibkommission. Diese wiederum wurde fast ausschließlich mit Befürwortern der Reform bestückt.
Trotz dieser einseitigen Besetzung und trotz des erheblichen Zeitdrucks, unter dem die Kommission stand, enthalten die allerneuesten Regeln eine große Menge von (Rück-)Änderungen. Und es würden wohl noch mehr werden, wenn man die Kommission in Ruhe und umfassend weiterarbeiten ließe. Was man aber nicht tut, weswegen einer der wenigen Gegner der Rechtschreibreform in der Kommission, Theodor Ickler, sie auch kürzlich verlassen hat.
Im Moment sieht es so aus, als würde die neue neue Rechtschreibung, Version 4 also, die auf längere Zeit verbindliche werden.
Verbindlich heißt: Verbindlich für Schüler; verbindlich für Angestellte von Behörden, weil diese vermutlich, wie schon zuvor, die jeweils aktuelle Rechtschreibung für ihre Angestellten und Beamten vorschreiben. Viele Unternehmen werden genau so verfahren, darunter auch Verlage. Ob diese bereits in alter oder einer älteren neuen (haha!) Orthographie veröffentlichte Bücher für neue Auflagen neu setzen werden, ist wegen der erheblichen damit verbunden Kosten zu bezweifeln – sofern es sich nicht um Schulbücher handelt.
Manche Verlage werden auch einfach mit der alten Rechtschreibung weiterarbeiten, davon wiederum werden vielleicht einige nach ein paar Jahren weich werden – man wird sehen. Privatpersonen werden ganz nach persönlicher Einschätzung („Bin zu alt, um das nochmal neu zu lernen“, „Ich verwende die neue Rechtschreibung, weil es einen schlechten Eindruck macht, sie nicht zu beherrschen“ usw.) vorgehen. Noch mehr werden gar keine bewußte Entscheidung treffen und irgendeine Mixtur aus beidem plus eigenen Zutaten verwenden.
Auf jeden Fall aber, und darauf muß man seltsamerweise immer wieder hinweisen: Die Rechtschreibregeln sind kein GESETZ. Es gibt in Deutschland so etwas wie ein Orthographie-Gesetz nicht, wer „daß“ schreibt, wird dafür nie ein Bußgeld zahlen müssen.
Was auch immer man nun von der Rechtschreibreform hält – der Reform im allgemeinen, dieser im speziellen, dem Sinn und Nutzen von Rechtschreibung überhaupt –, eins steht fest: Die alte und die neuen Rechtschreibung werden für viele Jahre, sehr wahrscheinlich sogar Jahrzehnte, nebeneinander bestehen.
Und nun komme ich zu dem Grund, warum ich einen Offenen Brief an das OOo-Team schreibe:
Ihr leistet fantastische Arbeit! Das muß mal (wieder) gesagt werden. Danke an alle, die über die Jahre dazu beigetragen haben!
Aber: Bitte bleibt bei dem, was Eure Aufgabe ist und was Ihr könnt: gute Software programmieren. Bitte trefft keine Entscheidungen darüber, welche Rechtschreibung der OOo-User verwenden soll, das entscheidet der nämlich lieber selbst.
Genau diese Entscheidung trefft Ihr aber, indem Ihr das in früheren Versionen zur Verfügung stehende Wörterbuch „Alte deutsche Rechtschreibung“ nicht mehr anbietet.
Es gibt zwar das kombinierte Wörterbuch, aber das funktioniert auch nicht richtig nach Setzen des Häkchens bei „Alte deutsche Rechtschreibung“ unter „Linguistik“ (nebenbei: Ich hatte im Forum schon mal daraufhingewiesen, „Linguistik“ bedeutet SprachWISSENSCHAFT, das ist natürlich Quatsch als Bezeichnung dieses Menüpunkts im OOo): Allenfalls bekommt man es hin, daß beide Schreibungen zugelassen sind.
Entweder, das wäre die komfortabelste, aber auch für die Programmierer schwierigere Lösung, sollte ein einziges, kombiniertes Wörterbuch angeboten (und in der deutschsprachigen neuen Version gleich mitinstalliert) werden, bei dem man durch Setzen des Häkchens ENTWEDER neue ODER alte Rechtschreibung wählen kann.
Oder es sollte wieder zusätzlich ein funktionstüchtiges Wörterbuch mit ausschließlich der alten Rechtschreibung angeboten werden. (Das wäre dann übrigens auch das einzig wirklich aktuelle deutsche Wörterbuch, weil die neuen sich ja bislang permanent ändern.) Dann könnte man frei wählen und würde nicht bevormundet.
Beide Rechtschreibungen anzubieten ist m. E. auch für die Akzeptanz und Verbreitung von OOo wichtig: Man sollte einfach keine große Gruppe von Schreibenden verärgern. Die schalten vielleicht nur die Rechtschreibkontrolle ab und arbeiten ohne sie mit OOo, vielleicht aber möchten sie auch nicht auf dieses nützliche Instrument zur Korrektur von Tippfehlern verzichten und wandern ab zu Ihr-Wißt-Schon-Was-Office. Herr Gates hat aber erstens schon mehr als genug Geld, und zweitens kann es auch nicht angehen, daß man sich ohne Probleme Walisisch installieren kann, aber die alte deutsche Rechtschreibung nicht oder nur mit Gewurschtel!
Betrifft: Alte und neue Rechtschreibung für OOo
Ich möchte etwas vorwegschicken: Ich bin Germanist und arbeite als freier Autor. D. h. ich bin sowohl theoretisch wie auch praktisch mit der deutschen Sprache vertraut. (Soll das heißen, daß dieser Text fehlerfrei ist? Ach, schön wär‘s!)
Das erwähne ich für all diejenigen, die zusätzlich zu Argumenten auch noch in irgendeiner Form eine „Autorisierung“ des Argumentierenden wünschen. Ich persönlich käme ohne aus, zumal bei der nervigen Geschichte, um die es hier nun gehen soll, sich gerade die Fachleute nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben.
Den meisten von Euch wird die Rechtschreibreform und alles darumherum mehr als lieb bekannt sein, aber ich möchte noch einmal die Entwicklung der letzten Jahre kurz zusammenfassen, weil immer wieder Mißverständnisse auftauchen. Ich habe in dieser Angelegenheit – selbstverständlich – einen Standpunkt, den ich auch nicht verhehle, aber von den Fakten getrennt halte.
Also: Irgendwann tauchte einmal die Idee auf, die deutsche Orthographie zu „modernisieren“ bzw. zu vereinfachen. Die Wörterbücher der deutschen Wörterbuchverlage sollten nicht mehr (oder jedenfalls nicht nur) die deutsche Sprache und Rechtschreibung auf ihrem jeweiligen Entwicklungsstand beschreiben, wie das ihre Aufgabe war (und in fast allen anderen Ländern ist), sondern sie sollten neue Regeln setzen, d. h. sie verändern.
Viele (Fach-)Leute hielten bereits diese Idee für zutiefst dumm, zu diesen Leuten gehöre ich auch.
Wie auch immer: Daß das, was nach langen Jahren und vielen Sitzungen von Experten als neue Rechtschreibung herauskam, katastrophal war, darüber sind sich mittlerweile die meisten einig. Die Veränderungen führten zu einem Verschwinden von Sinn, vor allem durch die neuen Regeln zur Getrenntschreibungen.
Mittlerweile sind die Regeln der dritten Version der neuen Rechtschreibung im Umlauf, die vierte, von der viele behaupten: die letzte, steht in den Startlöchern. Daß es sie überhaupt geben wird, liegt an den massiven Protesten gegen die jetzige Version, vor allem der Rückkehr von einigen großen Zeitungsverlagen zur alten Orthographie. Der Druck, der dadurch auf die Politik ausgelöst wurde, führte zur Einrichtung einer Rechtschreibkommission. Diese wiederum wurde fast ausschließlich mit Befürwortern der Reform bestückt.
Trotz dieser einseitigen Besetzung und trotz des erheblichen Zeitdrucks, unter dem die Kommission stand, enthalten die allerneuesten Regeln eine große Menge von (Rück-)Änderungen. Und es würden wohl noch mehr werden, wenn man die Kommission in Ruhe und umfassend weiterarbeiten ließe. Was man aber nicht tut, weswegen einer der wenigen Gegner der Rechtschreibreform in der Kommission, Theodor Ickler, sie auch kürzlich verlassen hat.
Im Moment sieht es so aus, als würde die neue neue Rechtschreibung, Version 4 also, die auf längere Zeit verbindliche werden.
Verbindlich heißt: Verbindlich für Schüler; verbindlich für Angestellte von Behörden, weil diese vermutlich, wie schon zuvor, die jeweils aktuelle Rechtschreibung für ihre Angestellten und Beamten vorschreiben. Viele Unternehmen werden genau so verfahren, darunter auch Verlage. Ob diese bereits in alter oder einer älteren neuen (haha!) Orthographie veröffentlichte Bücher für neue Auflagen neu setzen werden, ist wegen der erheblichen damit verbunden Kosten zu bezweifeln – sofern es sich nicht um Schulbücher handelt.
Manche Verlage werden auch einfach mit der alten Rechtschreibung weiterarbeiten, davon wiederum werden vielleicht einige nach ein paar Jahren weich werden – man wird sehen. Privatpersonen werden ganz nach persönlicher Einschätzung („Bin zu alt, um das nochmal neu zu lernen“, „Ich verwende die neue Rechtschreibung, weil es einen schlechten Eindruck macht, sie nicht zu beherrschen“ usw.) vorgehen. Noch mehr werden gar keine bewußte Entscheidung treffen und irgendeine Mixtur aus beidem plus eigenen Zutaten verwenden.
Auf jeden Fall aber, und darauf muß man seltsamerweise immer wieder hinweisen: Die Rechtschreibregeln sind kein GESETZ. Es gibt in Deutschland so etwas wie ein Orthographie-Gesetz nicht, wer „daß“ schreibt, wird dafür nie ein Bußgeld zahlen müssen.
Was auch immer man nun von der Rechtschreibreform hält – der Reform im allgemeinen, dieser im speziellen, dem Sinn und Nutzen von Rechtschreibung überhaupt –, eins steht fest: Die alte und die neuen Rechtschreibung werden für viele Jahre, sehr wahrscheinlich sogar Jahrzehnte, nebeneinander bestehen.
Und nun komme ich zu dem Grund, warum ich einen Offenen Brief an das OOo-Team schreibe:
Ihr leistet fantastische Arbeit! Das muß mal (wieder) gesagt werden. Danke an alle, die über die Jahre dazu beigetragen haben!
Aber: Bitte bleibt bei dem, was Eure Aufgabe ist und was Ihr könnt: gute Software programmieren. Bitte trefft keine Entscheidungen darüber, welche Rechtschreibung der OOo-User verwenden soll, das entscheidet der nämlich lieber selbst.
Genau diese Entscheidung trefft Ihr aber, indem Ihr das in früheren Versionen zur Verfügung stehende Wörterbuch „Alte deutsche Rechtschreibung“ nicht mehr anbietet.
Es gibt zwar das kombinierte Wörterbuch, aber das funktioniert auch nicht richtig nach Setzen des Häkchens bei „Alte deutsche Rechtschreibung“ unter „Linguistik“ (nebenbei: Ich hatte im Forum schon mal daraufhingewiesen, „Linguistik“ bedeutet SprachWISSENSCHAFT, das ist natürlich Quatsch als Bezeichnung dieses Menüpunkts im OOo): Allenfalls bekommt man es hin, daß beide Schreibungen zugelassen sind.
Entweder, das wäre die komfortabelste, aber auch für die Programmierer schwierigere Lösung, sollte ein einziges, kombiniertes Wörterbuch angeboten (und in der deutschsprachigen neuen Version gleich mitinstalliert) werden, bei dem man durch Setzen des Häkchens ENTWEDER neue ODER alte Rechtschreibung wählen kann.
Oder es sollte wieder zusätzlich ein funktionstüchtiges Wörterbuch mit ausschließlich der alten Rechtschreibung angeboten werden. (Das wäre dann übrigens auch das einzig wirklich aktuelle deutsche Wörterbuch, weil die neuen sich ja bislang permanent ändern.) Dann könnte man frei wählen und würde nicht bevormundet.
Beide Rechtschreibungen anzubieten ist m. E. auch für die Akzeptanz und Verbreitung von OOo wichtig: Man sollte einfach keine große Gruppe von Schreibenden verärgern. Die schalten vielleicht nur die Rechtschreibkontrolle ab und arbeiten ohne sie mit OOo, vielleicht aber möchten sie auch nicht auf dieses nützliche Instrument zur Korrektur von Tippfehlern verzichten und wandern ab zu Ihr-Wißt-Schon-Was-Office. Herr Gates hat aber erstens schon mehr als genug Geld, und zweitens kann es auch nicht angehen, daß man sich ohne Probleme Walisisch installieren kann, aber die alte deutsche Rechtschreibung nicht oder nur mit Gewurschtel!